Interview im BMZ mit Frau PStin Dr. Bärbel Kofler am 11. April 2024
Seit der Präsidentschaftswahl vom 24. März 2024 geht man im Senegal davon aus, dieses Land erlebt eine „Stunde Null“. Des Weiteren hat die neue Regierung angekündigt, alle internationalen Verträge neu zu verhandeln sowie die Entwicklungszusammenarbeit neu zu gestalten. In diesem Kontext haben wir Frau Dr. Bärbel Kofler, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, am 11. April 2024 in Berlin interviewt.
SenGermany: Frau Kofler, bis zur Reise Bundeskanzler Scholz im Mai 2022 hatte sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit dem Senegal auf die Förderung erneuerbarer Energien begrenzt. Der Bundeskanzler hatte sogar am 22. Mai 2022 eine Fotovoltaikanlage auf einer Fläche von 40 Hektar und eine Leistung von 23,114 Megawatt-Peak anlässlich dieser Reise eingeweiht. Jedoch war viel von der Lieferung von LNG aus dem Senegal die Rede. Wie hat sich die Entwicklungszusammenarbeit seit dieser Reise entwickelt?
Bundeskanzler Olaf Scholz weiht im Senegal am 22. Mai 2022 eine Fotovoltaikanlage auf einer Fläche von 40 Hektar und eine Leistung von 23,114 Megawatt-Peak ein.
PStsin Kofler: Mit Senegal arbeiten wir in vielen wichtigen Bereichen zusammen. Diese umfassen gute Regierungsführung, Arbeits- und Landrecht, Förderung von kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen (KKMU), Berufsbildung, erneuerbare Energien, nachhaltige Mobilität sowie Impfstoffproduktion.
In der Energiepolitik fördern wir in der Entwicklungszusammenarbeit ausschließlich nicht-fossile Träger. Die Förderung von Gas ist also ausgeschlossen; wir fördern weder die Exploration von Gasfeldern noch LNG-Terminals. Senegal hat 2023 mit der Verabschiedung der Just Energy Transition Partnership selbst festgelegt, den Anteil von erneuerbaren Energien im Strommix (Kapazitäten) von 30% auf 40% bis 2030 zu erhöhen. Dies fördern wir aus der Überzeugung heraus, dass gerade erneuerbare Energie die ländliche Elektrifizierung sichern kann (Senegal hat das Ziel, den universellen Zugang zu Strom bei 2030 zu erreichen). Dass Senegal Gas als Teil für seinen Energiemix sieht, ist seine souveräne Entscheidung.
Hintergrund der Kanzlerreise im Jahr 2022 war das Interesse der Bundesregierung, russisches Gas, das aufgrund des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine nicht mehr bezogen werden konnte und sollte, über andere Herkunftsländer zu ersetzen. Das war zu jenem Zeitpunkt ein wichtiger Punkt. Für unsere Entwicklungszusammenarbeit ist jedoch maßgeblich, dass wir den Umstieg in erneuerbare Energien fördern.
SenGermany: Sind 2024 Regierungsverhandlungen geplant?
PStsin Kofler: Ob wir in diesem Jahr Regierungsverhandlungen haben, kommt natürlich darauf an, wie sich die neue Regierungskonstellation im Senegal entwickelt. Geplant sind sie im Oktober 2024. Zunächst sind Regierungskonsultationen im Mai 2024 geplant, die immer Regierungsverhandlungen vorgelagert sind. [Anmerkung: die Regierungskonsultationen fanden vom 30.-31.05.2024 statt.]
SenGermany: Für unseren Deutsch-Senegalesischen Wirtschaftstag am 7. Juni 2024 haben wir angefragt, ob Sie teilnehmen könnten?
PStsin Kofler: Wir haben während dieser Zeit Sitzungswoche im Bundestag und ich habe Präsenzpflicht. Ich würde darum bitten, wenn Sie so etwas im nächsten Jahr planen, es außerhalb der Sitzungswoche zu organisieren. Dann komme ich sehr gerne. Frau Birgit Pickel, Abteilungsleiterin Afrika, wird das Ministerium vertreten.
SenGermany: Bei den Verhandlungen über das „Wachstumschancengesetz“ wurde das BMZ nicht erwähnt. Denken Sie nicht, dass der Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Globalen Südens langfristig zu einem stetigen Wirtschaftswachstum in Deutschland beitragen könnte, zumal Fachkräfte für den deutschen Markt kurzfristig nicht angeworben werden können. Das Wachstumschancengesetz ist inzwischen im Amtsblatt veröffentlicht. Aber das BMZ erscheint nirgendwo. Wir haben uns fragt, wie kann es denn sein? Warum hat man Sie vergessen?
PStsin Kofler: Man hat uns nicht vergessen. Aber wie in allen Ländern gibt es Gesetze, die sich an die Innen- und nicht an die Außenpolitik richten. Das Wachstumschancengesetz ist ein Gesetz, bei dem es darum geht, Verfahren in Deutschland zu beschleunigen, Steuererleichterungen in Höhe von drei Milliarden für in Deutschland ansässige Unternehmen umzusetzen und verschiedenste Erleichterungen in der Bürokratie einzuführen. Das ist ein Gesetz, das sich ausschließlich an die Wirtschaft und an Verfahren in Deutschland richtet und mit Außenpolitik und Außenwirtschaftsförderung nichts zu tun hat. Dafür gibt es natürlich andere Instrumentarien und andere Möglichkeiten.
SenGermany: Sie sagen andere Instrumentarien. Welche zum Beispiel?
PStsin Kofler: Wir haben über die Deutsche Entwicklungsgesellschaft (DEG) vielfältige Instrumentarien, die privatwirtschaftliche Investitionen in anderen Ländern fördern. Es gibt DeveloPPP mit Venture Capital, also Risikokapitalabsicherung von Startups geht. Zu den Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung gehören auch Hermesbürgschaften usw.
SenGermany: Vor zwei Jahren waren wir im Bonner Büro Ihres Ministeriums eingeladen. Die GIZ hatte zu der Initiative „Migration entwicklungspolitisch gestalten“ eingeladen. Aber zu unserer Überraschung stand der Senegal nicht auf der Liste der Länder, die in Frage kamen, weil die Fördermittel nicht reichten?
PStsin Kofler: Das Folgevorhaben „Migration entwicklungspolitisch gestalten“ lief im Juni 2023 an und läuft über zwei Jahre. Es schließt sich an den Vorgänger „Programm Migration und Diaspora“ an. In der Folgephase ist Senegal kein Partnerland mehr aufgrund von geringeren Mitteln, da leider die Zahl der Partnerländer reduziert werden musste. Länder, in denen das BMZ mit „niedrigschwelligem“ Diaspora-Engagement engagiert war, ließen sich leider nicht mehr aufrechterhalten. Eine andere Erwägung war, dass hier schon andere Länder wie Frankreich engagiert sind. Sie können aber als zivilgesellschaftliche Organisation, also als Verein, weiterhin über andere Programme gefördert werden.
SenGermany: In dem Zusammenhang haben wir mehrere Projekte für Frauen durchgeführt und andere Migrantenorganisationen bei der Antragsstellung unterstützt. Aufgrund dieser guten Ergebnisse haben wir mehrere Anfragen seitens Frauenorganisationen aus dem Senegal. Wie könnte man das bewerkstelligen?
PStsin Kofler: Über die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit fördern wir zum Beispiel speziell Frauen als Unternehmerinnen, damit sie besseren Zugang zu Krediten als Investitionskapital erhalten. Häufig gibt es Vorgaben für die Kreditvergabe, bestimmte Garantien wie beispielsweise einen Landtitel vorweisen zu müssen. Da Frauen viel seltener einen solchen Rechtstitel halten, werden sie von vorneherein von einer möglichen Kreditaufnahme ausgeschlossen. Dass nun auch Gruppen als Rechtinhaber von Land in Senegal eingetragen werden können, ist ein toller Fortschritt und erweitert die ökonomischen Möglichkeiten von Frauen bedeutend.
Förderung eines Projektes für die Selbstständigkeit von Frauen im Ort Djilor Djidiak, Senegal
Weitere Aktivitäten in diesem Bereich umfasst unsere Zusammenarbeit mit dem Women Investment Club zusammen, der auch einen eigenen Fonds im Senegal aufgelegt hat, um Unternehmerinnen unterstützen zu können. Zusätzlich unterstützen wir Unternehmerinnen über Begleitprogramme von bis zu sechs Monaten. Dabei werden Fähigkeiten entwickelt und gestärkt, die benötigt werden, um im Geschäftsleben reüssieren zu können. Wir haben also ein recht umfangreiches Programm zur Förderung der Selbstständigkeit und des Unternehmertums von Frauen.
SenGermany: Kommen wir jetzt zurück nach Berlin: Africa meets business! Es war die erfolgreichste Veranstaltung über Afrika bis die Covid-Pandemie ausbrach. Wie kann man das wiederbeleben?
PStsin Kofler: Das müssen Sie die CDU-Bundestagsfraktion fragen, weil das BMZ nicht der Veranstalter ist, sondern die CDU-Bundestagsfraktion. Und wir können und wollen Fraktionen auch nicht vorschreiben, welche Veranstaltungsformate sie auflegen. Aber wir haben ja regelmäßig die Compact with Africa-Konferenz – wie auch im letzten Herbst wieder mit dem Bundeskanzler und mit zahlreichen Staatspräsidenten, Regierungschefs, Wirtschaftsakteuren sowohl vom afrikanischen Kontinent wie auch aus Deutschland. Daran anknüpfend fand die Investitionskonferenz Subsahara-Afrika-Initiative der deutschen Wirtschaft statt wie auch die vom BMZ extra veranstaltete Jugendunternehmer*innen-Konferenz und die Africa Startup Connect Week. Es gab also allein im letzten Herbst eine Reihe von Foren für den Austausch von Politik und Wirtschaft aus Afrika und Deutschland.
SenGermany mit Managern der Verpackungsbranche auf der Veranstaltung „Africa meets Business“ am 14. Juni 2017
SenGermany: Wie kann man Senegal politisch retten. Aufgrund des politischen Dramas von 2021 bis 2024 braucht das Land dringend eine Bundeszentrale für politische Bildung, selbst wenn es nach den Wahlen vom 24. März weltweit gelobt wurde.
PStsin Kofler: Die Initiative dafür muss aus Senegal kommen, das ist das Entscheidende. Es würde auch keine Bundeszentrale für politische Bildung in Deutschland funktionieren, wenn sie ausschließlich von außen finanziert würde und sich in Deutschland keiner dafür interessierte. Auch die Materialien für Weiterbildung, Erwachsenenbildung, Schulklassen usw. leben davon, dass sie mit relevanten Themen befüllt sind. Also mit Themen, die für die Menschen in Senegal wichtig sind, die sie umtreiben. Auch das kann nur aus Senegal selbst gesteuert werden.
Was wir aber ohnehin fördern, sind unsere politischen Stiftungen, die genau diesen politischen Diskurs unterstützen sollen.
Wir aus Deutschland können nicht die Grundsätze und Fragestellungen, die die senegalesische Gesellschaft für sich selbst lösen oder ausdiskutieren muss, von außen lösen. Was wir tun können, ist Beiträge dazu leisten, dass Zivilgesellschaft gehört wird, dass Meinungsfreiheit eine wichtige Stellung hat, dass politische Bildung gefördert wird.
Frau PStin Dr. Bärbel Kofler mit einer Kunstwerk aus Niger im Hintergrund
Frau parlamentarische Staatssekretärin wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Gespräch führte: Ibrahim Guèye